Lebenskunst

Chacun son enfer! Jedem seine Hölle!

Es ist 10 Uhr früh und das hellgelbe Sonnenlicht wird vom steril reinen Handytisch auf die weniger steril wirkenden zwei Studenten in meinem Laden reflektiert. Welch‘ ein malerischer Morgen. Als sich im Smalltalk herausstellt, dass die beiden auf Lehramt studieren, sage ich spontan: „Das finde ich toll! Eine sinnstiftende Arbeit!“ (Natürlich wollte ich nur Sympathie erhaschen, um meine Verkaufschancen zu steigern. Witzchen.)

Erstaunlich nüchtern und resigniert fiel deren Reaktion aus: „Naja… ob lauter lärmende, desinteressierte Schüler sinnstiftend sein werden… und bei dem System, wo nur Zeug beigebracht wird, auf das die Schüler null Bock haben…“ Ich war ziemlich erstaunt über so viel Trübsal. Vor allem schon in so jungen Jahren. Ich war in meinem Erststudium definitiv enthusiastischer und illusionsträchtiger.

Da dachte ich mir, Tom, erlaubste dir einen experimentellen Spaß – und erwiderte ernsthaft: „Nun ja. Klingt echt nicht so toll. Es ist wirklich schade, dass nicht jeder einen so angenehmen Job haben kann wie ich.“ Wer meinen ersten Artikel gelesen hat, weiß, dass das an der Wahrheit vorbeischrammt (vgl. „Ich, Sklave meines Mobilfunkanbieters.“ Eine Wutschrift.)

Ohne dass ich überhaupt ein Argument gebracht hätte, was nun meine Arbeit so angenehm machen würde, bejahten die Studenten meine Aussage und fanden allerlei phantasievolle Gründe, warum ich so glücklich bin mit meinem Job. Geil!

Natürlich kann es sein, dass die zwei aus einer Mischung Höflichkeit und falscher Bescheidenheit sich selbst etwas runter gemacht haben und mich dafür etwas „erhoben“ haben. Aber sogar wenn das so wäre: wir schaden uns damit mehr als wir uns vorstellen können. Wenn Gedachtes zu Gesagtem wird und über das Gesagte wieder gedacht wird, findet eine „Bestärkungsspirale“ statt. Soll heißen: wir überzeugen uns unbewusst selbst von einer gemachten Aussage, hinter der wir vielleicht gar nicht stehen. Passiert mir übrigens gefühlt 63 mal am Tag.

Jeder von uns lebt seine kleinere oder größere Hölle. Unser Leid ist aber stets ein relatives Leid, nie absolut. Soll heißen: wenn Du denkst, es geht Dir Scheiße – mach Dir keinen Kopf. Zumindest bist Du kein Lehramtstudent!

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