Lebenskunst

Leitfiguren & Lifestyle: Konsumismus vs. Notwendigkeit

Leitfiguren als Wurzel allen Lifestyles

Kill your idols?

Wer solche Sprüche reißt, ist meistens verzweifelter auf der Suche nach Leitfiguren als alle anderen. Insgeheim sehnen sich die meisten von uns nach Vorbildern. Nach Leitfiguren. Nach Halt. Doch die große Masse gibt sich mit dem zufrieden, was vorherrscht. Wenn jemand sich nicht (mehr) mit dem Gegebenen zufrieden gibt, hinterfragt und kritisiert, wird er schnell als „alternativ“ abgestempelt. Meistens schwingt dann etwas Herablassendes mit, etwas von „Ach! Noch so’n 68er Verschnitt!“.

Seiner Zeit gegenüber kritisch zu sein, Selbstverständliches zu hinterfragen, kann keinesfalls auf eine linke Studentenbewegung Ende der sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts reduziert werden. Es kann auch nicht auf die ferner zurückliegende Epoche der Aufklärung reduziert werden (um 1800). Es fängt eigentlich schon damit an, dass man Mensch ist. Es ist der kleine Philosoph in uns allen, der intuitiv Alarm schlägt, wenn sich etwas falsch anfühlt. Es ist also nicht einfach nur ein politisches oder soziologisches Phänomen. Es ist anthropologischer Natur.

Was also, wenn die vorherrschenden Leitfiguren sich irgendwie falsch anfühlen? „Auf die Guillotine mit ihnen!“ würde ein guter französischer Aufklärer rufen.

Der deutsche Aufklärer und Philosoph Immanuel Kant sagte einst über die Aufklärung:

Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.


Immanuel Kant, 1784

Keine Panik! Immanuel Kant hat sich meistens sehr streng (idealistisch) ausgedrückt und es schwingt auch hier unmenschliche Härte mit. Natürlich brauchen wir eine „Leitung“. Bloß erkennen wir im Laufe unseres Lebens oft nur, was nicht unsere Leitung sein kann.


Condamné à la liberté! Verdammt zur Freiheit!

Die Epoche der Aufklärung hat die Vorarbeit geleistet, die uns unsere heutige Freiheit ermöglicht. Und jetzt? Der französische Philosoph Jean-Paul Sartre (20. JH) meinte, wir sind „zur Freiheit verdammt“. Und dank der vorausgegangenen Aufklärung jetzt erst recht!

Von der Befreiung zur Orientierungslosigkeit: so frei wir auch heute sind, so sehr bleiben wir Menschen. Und brauchen Leitfiguren. Konventionelle Leitfiguren aus Kirche und Staat sind weggefallen, auch Gesellschaftsordnungen wie Kapitalismus und Kommunismus taugen nicht mehr so recht.

We killed our idols!


Lifestyle-Magazine, ein zeitgenössischer Hilfeschrei

So endlos viele gibt es! Letztens habe ich beim Zeitschriftenhändler zwei neue entdeckt: „Slow“ und „Flow“. Ist das Zufall, dass die sich reimen? Wollen uns die Verleger aufs Zynischste verarschen? Ich weiß es nicht. Auf jeden Fall dachte ich mir „Geil! Das ist was für dich!“. Beide behandeln meine Lieblingsthemen simplify your life, Achtsamkeit, mehr Zeit fürs Wesentliche, usw. Beim Durchblättern wurde ich leider enttäuscht (bin aber auch sowas von ein schwieriger Kauz von einem Konsumenten!). Schön anzusehn waren die Magazine allemal. Leider etwas substanzlos. Am Ende ging es doch nur um Konsum, pseudospirituell verpackt.

Sieht jetzt so mein Lebensstil aus? Stecken hinter „Slow“ und „Flow“ meine neuen Leitfiguren?


Lifestyle als Konsumgut vs. Lifestyle als Notwendigkeit

Bei den heutigen Unmengen an Lifestyles kann man sich für einen Lebensstil entscheiden, als sei er eine Hose aus dem H&M: mal gefällt die eine, mal die andere. Lebensstil hat scheinbar wenig mit irgendwelchen Überzeugungen zu tun oder mit existentiellen Erkenntnissen aus dem eigenen Leben. Eher was mit Wirtschaftsfaktoren. Durchaus eine schöne Sache, da der Mensch sich ausprobieren kann an verschiedenen Lifestyle-Optionen. Aber rettet das den Menschen von seiner Orientierungslosigkeit? Findet man so seine persönlichen Leitideen? Oder ist Lifestyle doch nur ein Konsumgut?

Für mich entspringt ein authentischer Lebensstil aus einer Notwendigkeit. Aus den persönlichen Erfahrungen des eigenen Lebens, die sich zu Überzeugungen geformt haben. Überspitzt: man sucht sich nicht einfach seinen Lebensstil beim Zeitschriftenhändler heraus. Einen Lebensstil findet man nicht. Man baut ihn sich mit den Lebensjahren auf.

Also hatte Kant jetzt doch Recht!? Müssen wir uns selbst Leitfigur sein?

Wie so oft im Leben: jein. Einerseits müssen wir unseren eigenen Verstand nutzen, um aus all den Leitfiguren und Lebensstilen zu wählen. Andererseits bedarf es eben dieser Auswahl, um alle Möglichkeiten ansatzweise zu kennen.

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