Lebenskunst

Die Unsterblichkeit Gottes oder die Unerträglichkeit der Endlichkeit

Die Unsterblichkeit Gottes

Godmode 1.0: Der Polytheismus.

Am Anfang war das Göttliche sehr konkret. Naturgewalten wurden Gottheiten zugeschrieben: Gott des Donners, Gott des Regens, Gott des Feuers. Diese Götter kamen und gingen, aber starben nie. Die Unsterblichkeit war ihnen allen gemein.


Godmode 2.0: Der Monotheismus.

Dann fand die erste Abstraktion statt: Aus vielen Göttern wurde ein biblischer Gott. Aber auch von diesem Gott hat man ein sehr konkretes Bild: Väterlich, weise, gerecht, gütig, zornig, herrschend, erschaffend. Da ist es völlig egal, ob man in der jeweiligen Religion Gott darstellen darf oder nicht. Das väterliche Bild ist fest in unseren monotheistischen Köpfen verankert. Auch er ist natürlich unsterblich.


Godmode 3.0: Totgesagte leben länger.

„Gott ist tot! Gott bleibt tot! Und wir haben ihn getötet! Wie trösten wir uns, die Mörder aller Mörder? Das Heiligste und Mächtigste, was die Welt bisher besaß, es ist unter unsern Messern verblutet – wer wischt dies Blut von uns ab?“

Friedrisch Nietzsche – Die fröhliche Wissenschaft, Drittes Buch, Aphorismus 125

Nietzsche war Sohn eines Pfarrers. Bockig wie Kinder oft sind, widersetzen sie sich der Meinung der Eltern. Er hatte die Nase voll vom Christentum und wie es sich entwickelt hat in der Zeitgeschichte. Nietzsche tötet hier also vielmehr das Christentum. Gott wird auch er nicht überwinden können. Denn der Ewige findet sich wieder in Nietzsches Ewiger Wiederkunft:


„Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Grosse deines Lebens muss dir wiederkommen.“

Friedrisch Nietzsche – Die fröhliche Wissenschaft, Viertes Buch, Aphorismus 341

Gott wird hier weiter abstrahiert in einen unsterblichen Raum. Hier endet nichts, sondern wiederholt sich in alle Ewigkeit.


Godmode 4.0: Die Wissenschaft.

Mein Cousin ist davon überzeugt, dass die Wissenschaft uns eines Tages Unsterblichkeit bringen wird. Er spricht von einer biologischen Unsterblichkeit, dass Zellen nicht mehr altern oder sich endlos regenerieren oder von – unter irrealen Idealbedingungen – unsterblichen Seegurken.

Auch von einer technologischen Unsterblichkeit ist die Rede. Dass wir irgendwann unser Bewusstsein auf eine Festplatte hochladen und so das biologische Problem umgehen können. Ich muss da irgendwie an Futuramas Head Jars denken.

Die Wissenschaft ist voll von Theorien und Forschungen zum Thema Unsterblichkeit. Tatsächlich leben wir Menschen heute länger als je zuvor und das ist der Wissenschaft zu verdanken.

Aber wir sterben auch weiterhin wie gewohnt. Dieses kleine Detail wird gerne verdrängt im Rahmen eines tiefen – sagen wir mal religiösen – Wissenschaftsglaubens. Das effektivste rhetorische Mittel der Moderne ist es, einen Satz zu beginnen mit „Neueste Studien belegen, dass…“. Das entspricht dem effektivsten rhetorischen Mittel des Mittelalters, in dem man einen Satz mit „Und der Herr sprach, …“ zu beginnen pflegte, um nachhaltig zu überzeugen.

Also auch in Wissenschaft und Technologie findet sich eine weitere Abstraktion des Göttlichen – und nicht dessen Überwindung.


Die Unerträglichkeit der Endlichkeit

Ob nun Naturgötter, der Heilige Vater, die Ewige Wiederkunft oder Wissenschafts- und Technologieglaube – der Mensch braucht Konstrukte, die ihm vorgaukeln, alles geht irgendwie weiter. So sehr der moderne Mensch das Göttliche zu überwinden versucht, so sehr hängt er noch am Göttlichen. Denn die Vorstellung, dass alles irgendwann ein wirklich endgültig endgültiges Ende hätte, ist unendlich schwer zu ertragen.

Es ist mithin das Schwerste im Leben, Abschied zu nehmen.

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