Lebenskunst

Die Ware von heute, gesunder Konsum und warum Verzicht glücklich macht

Die Ware von heute

Nie zuvor konnte sich der Mensch so viel leisten für so wenig Geld. Wie wir wissen, liegt das natürlich nicht an signifikant gestiegenen Löhnen. Doch es sind die Früchte der freien Marktwirtschaft: unsere Konsumfreiheit haben wir dem sportlichen Konkurrenzkampf und dem noch sportlicheren Preisdruck zu verdanken.

Nie zuvor hatte der Mensch eine so riesige Auswahl an Konsummöglichkeiten („Geiles Teil! Ich wusste nicht mal, dass ich das brauch!“). Hättest Du noch vor 10 Jahren gedacht, dass Du jemals ein Tablet brauchen wirst? Wenn Du übrigens immer noch davon überzeugt bist, dass Du kein Tablet brauchst, bist Du mir sympathisch!

Nie zuvor hat der Mensch so viel konsumiert. Das Verzwickte an der Konsumfreiheit: ihr unterschwelliger Konsumzwang. Wir kaufen und verbrauchen nur noch, anstatt zu gebrauchen und zu bewahren. Wir reparieren keine Ware mehr und behalten nichts mehr über mehrere Jahre, sondern schmeißen weg (oder versteigern auf ebay) und kaufen wieder Neuware. Es herrscht ein wahrer Neuwarenkult! Ein Phänomen unserer Zeit ist das „unpacking“ oder „unboxing“: junge Leute, die sich beim Auspacken von Neuware filmen und diesen „Akt“ online teilen mit anderen. Verpackungsdesigner haben in den letzten Jahren extrem viel an der Verpackung, aber vor allem am Erlebnis des Auspackens gefeilt. Das erreicht absurde Ausmaße, wenn bei manchen Produkten die Verpackung positiver ins Auge fällt als das Produkt selbst!

Tatsächlich wohnt dem Auspacken einer Neuware sexuelle Kraft inne. Es hat etwas entjungferndes an sich: das Aufreißen der verschweißten Folie, das Entfernen der Originalverpackung – sind durchaus intensive Lustmomente. Doch wie bei einem schlechten Sexualpartner, bei dem man schon nach „dem ersten Akt“ mehr ent- als begeistert ist, folgt schnell die Langeweile.

Nie zuvor wurde uns ein Produkt so schnell langweilig wie heutzutage. Es soll uns auch nicht zu lange begeistern! Das Produkt muss „optimal“ konzipiert sein: also nicht zu schlecht (Under-Engineering), aber auch nicht zu gut (Over-Engineering). Denn im Idealfall kaufen wir uns nach spätestens 24 Monaten das Nachfolgemodell! Das sichert einerseits Umsätze und somit Unternehmen und Arbeitsplätze, andererseits verschwenden wir aber so ungemein viele Ressourcen. Auch wenn die Verpackung aus „100% nachwachsenden Rohstoffen“ besteht und mit „Soja-Tinte“ bedruckt wird (nächstes mal das Sushi in die Druckerpatrone dippen!): das ist vorgegaukelte Nachhaltigkeit. Wenn jedoch ein Produkt statt den heute angedachten zwei Jahren wieder zehn Jahre halten würde – das wäre nachhaltig.

Kurzum: die moderne Form des Konsums führt in eine Sackgasse. Einerseits will sie den Kunden gar nicht mehr langfristig begeistern, andererseits verschwendet sie Unmengen an Rohstoffen.


Gesunder Konsum

Eine andersmoderne Form des Konsums könnte so aussehen: wir gebrauchen und bewahren wieder das, was wir kaufen, anstatt es wegzuschmeißen oder rasch wieder zu verkaufen und Neuwaren zu beschaffen. Wir bauen eine Beziehung zu den Gütern auf, die wir besitzen und sehen sie nicht als erneuerbar oder austauschbar an. Von Gütern, die sich als verzichtbar herausstellen, trennen wir uns. Und schärfen damit unseren Blick für Nötiges und Unnötiges, um so zu einem bewussteren statt verschwenderischen Konsum zu gelangen. Die Industrie stellt wieder Waren her, die reparabel sind und forciert Reparaturmöglichkeiten statt Austausch und Neuproduktion.


Glück im Verzicht

Sich von der Konsumfreiheit befreien! Wie wir gesehen haben, ist das gar nicht so widersprüchlich. Durch bewussteren Konsum und ein Bewahren-Wollen statt Kaufen-Wollen werden wir das was wir haben, weitaus mehr zu schätzen lernen. Oft besitzen wir viel mehr als uns bewusst ist. Sobald wir nicht mehr wissen, was sich bei uns alles in Schränken und Schubläden angesammelt hat („Hab ich jetzt 2 oder 3 USB-Sticks?“) wird es heikel: weil wir dann nicht mehr die Güter besitzen – sondern die Güter uns.

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